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Die künstliche Schöpfung

Auszug aus "my life 10/2019"
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Doppelte Wonne - Zwillinge kommen nach künstlicher Befruchtung häufiger zur Welt als nach einer Zeugung auf natürlichem Weg.

Paaren, die keine Kinder bekommen können, wird auf immer raffiniertere Weise geholfen. Wo liegen die Grenzen?

Als vor bald 41 Jahren das erste „Retortenbaby" zur Welt kam, befürchtete der Vatikan „sehr schwere Konsequenzen" für die Menschheit.
„Moralisch falsch", nannte der Erzbischof von Liverpool die Premiere. Bis heute lehnen viele Menschen, und nicht nur Katholiken, die Errungenschaften der Fortpflanzungsmedizin ab. Dennoch ist der Fortschritt beeindruckend. Ärzte überwinden immer neue Hindernisse.
Zuletzt halfen sie Frauen, die nicht schwanger werden, weil ein Abschnitt ihrer Eizelle, das Mitochondrium, defekt ist: Sie statteten die Zellen mit den Mitochondrien anderer Frauen aus. Auf diese Weise geschaffene Kinder haben genetisch drei Eltern. Unvorstellbares rückt in den Bereich des Möglichen. Mit Stammzell- und Gen-Technik lassen sich bereits Mäuse ohne Mutter bzw. Vater hervorbringen. Noch ist die Zahl der Patienten in Deutschland gering. Die 140 Praxen, in denen die Behandlung durchgeführt wird, versuchten 2016, rund 70 000 Frauen zu helfen. Es kam zu 104 000 „Behandlungszyklen", 17041 Kinder (rund ein Fünftel Zwillinge) kamen zur Welt. Wenn, wie Experten meinen, die Fruchtbarkeit in unserer Gesellschaft sinkt und die Ansprüche an den Nachwuchs wachsen, könnte die Blütezeit der Fortpflanzungsmedizin aber erst noch bevorstehen.

Gebärmutter auf Zeit

Nur 1775 Gramm wog das erste Kind, das in Schweden in einer transplantierten Gebärmutter heranwuchs und 2014 gesund zur Welt kam. Die Mutter hatte das Organ von einer 61-Jährigen erhalten. Nach der Niederkunft entfernten es die Ärzte wieder. So musste die Patientin nicht länger Medikamente nehmen, die eine Abstoßung verhinderten und ihr Immunsystem unterdrückten. Diese Methode haben Ärzte mittlerweile auch in Deutschland angewendet. Ende 2018 kam aus Brasilien die Nachricht von der ersten Geburt aus der Gebärmutter einer hirntoten Frau.

Wie sich die Nachhilfe für Samen und Ei verbessert hat

Um 1790 Der britische Chirurg John Hunter (1728–1793) injiziert Sperma in die Geschlechtsorgane einer Frau. Sie bringt ein Kind zur Welt.

1884
Ohne das betroffene Paar zu informieren, befruchtet William Pancoast in den USA eine Frau mit Fremdsamen, den ein Medizinstudent spendete.

1953
Die US-Ärzte Raymond Bunge und Jerome Sherman geben bekannt, drei Patientinnen mit wochenlang tiefgefrorenem Samen befruchtet zu haben.

1978
Nahe Manchester kommt am 25. Juli Louise Brown zur Welt, das erste „Retortenbaby“. Ei- und Samenzellen ihrer Eltern wurden im Labor vereint.

1983/1984
Embryotransfer: Forscher John Buster überträgt in Los Angeles einen Embryo von einer Frau in eine andere, die das Kind zur Welt bringt.

1985
„Leihmutter ins Gefängnis?“ titelt die „Bild“-Zeitung. Die Britin Kim Cotton erzählt freimütig, dass sie ein Baby für ein kinderloses Paar austrug.

1990
Schwangerschaft nach Präimplantationsdiagnostik: Ärzte implantieren nur jene befruchtete Eizelle, bei der sie keinen Gendefekt finden.

1991
Der Reproduktionsmediziner Gianpiero Palermo entwickelt in den USA die Methode der direkten Injektion von Spermien in die Eizelle im Labor.

1996/1997
„Kind mit drei Eltern“: In den USA wird eine Frau schwanger, weil ihr Arzt Zellflüssigkeit von einer anderen Frau in ihre Eizelle injizierte.

2003
Dem belgischen Gynäkologen Jacques Donnez gelingt die Rückverpflanzung von Eierstockgewebe, das sechs Jahre tiefgefroren war. Die Patientin wäre sonst durch die ihr bevorstehende Krebsbehandlung unfruchtbar geworden. Nach der Transplantation bekommt sie ein Kind.

Die häufigsten Methoden

Insemination
Der Samen wird ohne Geschlechtsverkehr in die Gebärmutter eingebracht. In der Rinderzucht reicht die Geschichte der künstlichen Besamung bis ins 14. Jahrhundert zurück.

Hormonbehandlung
Bei der heute üblichen Methode der IVF (In-vitro-Fertilisation, Reagenzglasbefruchtung) setzt sich die Frau zumeist selbst Hormonspritzen. Das stimuliert die Eierstöcke, mehrere Eizellen reifen heran.

Eizellenentnahme
Sieht der Arzt im Ultraschall, dass genügend Eizellen den erforderlichen Reifegrad erreicht haben, entnimmt er Eizellen durch die Scheide.

Spermienaufbereitung
Vor der Befruchtung werden auch die Spermien „aufbereitet“. Man entfernt dabei überflüssige oder störende Sekrete aus dem Ejakulat.

Vereinigung mit mehr Präzision
Ursprünglich nur für müde Spermien gedacht, wird die ICSI (Injektion eines Spermiums durch die Zellhülle ins Cytoplasma) nun bei den meisten künstlichen Befruchtungen durchgeführt.

Genetisch vermengt Der Eizellkern der Frau mit Fruchtbarkeitsproblemen wird entnommen und in die entkernte Eizelle der Frau mit ansonsten gesunden Zellbestandteilen eingesetzt.

„Social Freezing“
Erst die Karriere, dann die Kind: Eizellen junger Frauen einzufrieren, damit sie nach dem beruflichen Aufstieg leichter schwanger werden können, ist in Deutschland möglich. Im Silicon Valley bezahlen sogar einige Firmen die Behandlung für ihre Mitarbeiterinnen.

Die Aussichten der Gentechnik

Präimplantationsdiagnostik Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ethisch heikel. Mehrere Eizellen werden im Labor befruchtet und auf Schäden untersucht. Zwei oder drei der intakten Zellen werden danach in die Gebärmutter eingesetzt. Die bei uns genehmigungspflichtige Methode kann verhindern, dass genetisch vorbelastete Paare Kinder mit Erbkrankheiten bekommen.

Gen-Schere CRISPR/Cas9
Mithilfe eines RNA-Moleküls schneidet die Cas9-Nuklease den DNA-Strang an einer definierten Stelle: Das Erbgut kann verändert  
werden. Die Kritik an der PID wurde noch lauter, als der chinesische Forscher He Jiankui im Herbst 2018 angab, Embryonen genetisch so manipuliert zu haben, dass sie nicht an Aids erkranken. Er modifizierte den vererbbaren Teil der DNA - und schuf im Prinzip einen neuen Menschen.

Nachwuchs ohne Eltern

Im Tierversuch gelangen sogar Geburten aus zu Eizellen umprogrammierten Stammzellen. Zudem wurden Mäuse geschaffen, die wahlweise zwei genetische Mütter oder zwei genetische Väter hatten; Letzteres allerdings erst nach einem Eingriff mit der Gen-Schere CRISPR/Cas9 (s. o.). der Zellkultur brachte man bereits menschliche Eizellen zur Reifung.

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